Introducing
von new mexico nach tirol
An der University of New Mexico probt Choreographin Donna Jewell mit ihrer Tanzklasse zeitgenössischen Tanz. Am Programm steht derzeit die Choreographie für das Gletscherschauspiel Hannibal in den Ötztaler Alpen, das am 17. April 2015 im fünfzehnten Jahr seiner Entstehung ein volles Dutzend an Aufführungen erlebt. Seit 2009 kooperiert das Tanzdepartement der Universität mit dem Künstlernetzwerk lawine torrèn und entsendet Studierende von der Wüste in die Praxis der Berge.
Proberaum ist Proberaum. Tanzboden ist Tanzboden. Aber ein Gletscher?
Mrs. Jewell performt seit 2001 als Anchorman des fiktiven News Senders Karthago TV live auf der Gletscherbühne und ist für die Choreographien des Senats von Karthago und die Fzene am fuß der Alpen verantwortlich. Viel Bodenarbeit, viel Kontakt zur Wand, beides aus Schnee. Präzise Synchronizität mit der Musik Peter Valentins und silbengenaue Abstimmung mit der Sprechstimme Harald Krassnitzers sind wichtig.
A Chorus Line in Albuquerque
Die besten des Jahrgangs bekommen die Chance, am Ende ihrer Ausbildung nach Österreich zu reisen, in die Tiroler Alpen, nach Sölden, um am tiefverschneiten, frühlingshaften Rettenbachferner zu den Truppen Hannibals zu stoßen. Doch zuvor wird trainiert. Verhältnisse wie am Gletscher findet man in der Nähe von Albuquerque am ehesten in der Wüste. Wie einst die Numider aus dem Inneren der Sahara, trainieren die amerikanischen Studenten die Alpenüberquerung zuerst trocken in der Wüste von New Mexico. Mögen die landschaftlichen Formen ähnlich sein, die Temperatur ist es selten.
“Die Umstellung von Sand, Kaktus und Canyons auf Schnee, Eis und Lawinen könnte deutlicher nicht ausfallen. Die Tänzer aus New Mexico haben noch nie Tiefschnee erlebt, geschweige denn in ihm getanzt. Die Reise von der Wüstenlandschaft in Albuquerque ins Alpenmassiv Tirols ist ein köstlicher Schock für den Organismus. Und inmitten des Gletschers zu proben, zu tanzen und zu performen ist ein ätherisches Erlebnis in einem außerordentlichen Naturwunder. Du wirst einfach nie mehr so tanzen wie vorher; wie auch? Wenn du da stehst, direkt vor der Show, in der Dämmerung, sickert die unfassbare Größe der Landschaft in den Körper und du fühlst deren Ausmaß von Innen her. Du expandierst von innen heraus und tanzt von da an für immer anders,” beschreibt Donna Jewell die Arbeit im Eis.
Synchron durch Funk
Hannibal wurde 2001 von Regisseur Hubert Lepka als Großraumperformance für die Gipfelregion des Rettenbachgletschers entworfen. Sämtliche Bewegungen von Maschinen und Menschen im mehr als sechs Kubikkilometer umfassenden Bühnenraum werden als zeitgenössische Handlungschoreographie erzählt. Aus diesem Blickwinkel greifen Base-Jump, Seilbergung am Armeehelikopter, Ballett der Pistenraupen, Dogfight der Flugzeuge, der Lawinenabgang, die Seilbahn, eine Hundertschaft Skilehrer und die Gruppe von 12 Tänzern präzise ineinander. Synchronisiert wird in diesem großen Raum über Funk, denn nicht alle der rund 500 Akteure können durch akustische und visuelle Signale erreicht werden.
“Wenn die Gruppe aus New Mexico am Gletscher ankommt, trifft sie auf eine erfahrene Kompanie von zeitgenössischen Tänzern, die bereits von Anfang an bei Hannibal dabei sind. Sie kennen die Spielchen mit den Haudegen der Motocross-Szene bereits, die sich - über und über ausgerüstet mit Protektoren - regelmäßig bei Donna Jewell beschweren, weil sie sich von jener zarten Tänzerin ganz links und ihren ausladenden Bewegungen bedroht fühlen. Sie führen die Wüstenbewohner in die vielen Schichten der wärmenden Kostüme ein und geleiten manch verlorenen Eleven sicher über die Klippen der Schneepyramide.” sagt Hubert Lepka. (März 2015)