Hochwald
5. September 2015, Linzer Klangwolke
Adalbert Stifters Erzählung HOCHWALD als stadtergreifendes Naturtheater vom Paradies und seinem Verlust.
Trailers
Ein Vater aus dem Böhmerwald fürchtet während eines Krieges um die Sicherheit seiner beiden Töchter und bringt sie deshalb in ein verstecktes Waldhaus. Dieses Haus befindet sich im unberührten Wald. Dennoch wird das Versteck von einem jungen Mann entdeckt, der eines der Mädchen liebt.
Vor dem Hintergrund dieser Erzählung über den Wald, die Unschuld und das Streben nach Sicherheit, geht es um die Zukunft der Natur. „Während wir uns über die Entwicklung der Städte im 21. Jahrhundert Gedanken machen, fehlt ein gestalterischer Plan dafür, wie sich jene Naturlandschaft entwickeln sollte, die längst nicht mehr unabhängig vom Menschen dahinwächst. Aller Wald in Europa ist von Menschenhand gemacht. Wie also stellen wir in Hinkunft die Natur her, sodass es sich lohnt in ihr zu wohnen?“ so Regisseur Hubert Lepka.
Anders gesagt: der Böhmerwald ist heute bedeckt von Wirtschaftswald. Wahre Baumriesen und gestaltete Natur finden wir hingegen in den Städtischen Parks und den Englischen Gärten.
Der Wald kommt in die Stadt
Die Textfassung von Joey Wimplinger übersetzt die romantische Erzählung Stifters von 1842 in das urbane Landschafts- und Stadtbild von Linz an der Donau. Da weder die Donau noch die Bauten der Stadt in den Wald kommen, kommt der Wald in die Stadt.
Bagger, Stapler, Laster und Schiffe bringen mehrere dutzend Bäume - einen veritablen Nadelwald - samt Waldhaus in einer überdimensionalen Choreographie zum Tanzen. Die Donaulände und der gesamte sichtbare Stadtraum werden als bewegte Naturlandschaft begreifbar, über der zart an einem Abrissbagger ein beflügeltes Wesen schwebt.
Feuer
Vieles von dem, wie Stadt aussieht (die mittelalterliche Stadt genauso wie die Moderne), hat mit dem Feuer zu tun. Brände machten Bauordnungen nötig. Brandrodungen gestalteten Wald und Wiese. Vom Brennmaterial Holz wurden ganze Landschaften geprägt. Feuer und seine Abwehr bestimmen immer noch unser Wohnen. Auch in dieser Klangwolke kommt also dem Feuerwerk und der Feuerwehr eine entsprechende Rolle zu.
Klangwolke unplugged
Adalbert Stifters HOCHWALD spielt im 30-jährigen Krieg, jenem Umbruch in Europa, der die Religion, die Geographie der Herrschaft, die Musik, die Kunst ebenso zerstörte wie neu entstehen ließ. Das im klingenden Spiel marschierende Heer (jenes der Bauern wie jenes der Fürsten) lebt heute noch in der Tradition der Blasmusik fort.
HOCHWALD bringt Marschmusik und die hochentwickelte Polyphonie der Spätrenaissance in den Kontext zeitgenössischer Elektronik. Und zwar als Musikdramatik im Sinne von erzählender, emotionalisierender Filmmusik.
Pavillon
Ein Haus fährt auf dem Treppelweg, ein offener Pavillon auf Rädern, dessen Innenwände aus großen Videowalls bestehen. Unmittelbar vor den Augen der Zuschauer gleiten darin die Szenen von HOCHWALD vorbei.
Die Idee dieser mobilen Immobilie weist vielleicht einen architektonischen Weg, wie wir bei schonendem Verbrauch der Grundstoffe, wie Landschaft, Baumaterial und Energie, unsere Lebenswelt so gestalten könnten, dass es sich auch in Hinkunft lohnt, darin zu wohnen.
Lawine Torrèn gestaltete 2015, nach Teilung am Fluss (2005) und Baby Jet (2010), zum dritten mal die Linzer Klangwolke.